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Der Animationsfilm: „Die Gesiter, die ich rief“ basiert auf dem Zauberlehrling von Johann Wolfgang von Goethe. Der Besen wird jedoch zum Drucker und der Zauberlehrling ist ein junger naturverbundener, musikalischer Mensch. Er trifft auf eine kalte, technisch-maschinisierte Außenwelt und lässt sich von ihr vereinnahmen. Seine individuellen menschlichen Werte und Gefühle geraten jedoch sukzessive mit dieser Welt in Konflikt. Wird Zau daran zerbrechen, oder sind beide Welten miteinander vereinbar?
Der Goethe’sche Zauberlehrling, als 1797 entstandenes Werk, hat in seiner Aktualität nicht etwa verloren, sondern eher noch hinzu gewonnen. Digitalisierung, Automatisierung, Biotechnologie – es entstehen beständig neue Innovationen, deren Folgen und Auswirkungen auf den Menschen, auf unsere Gesellschaft weder berechnet noch vorausgesehen werden können. Die Analogie zum Besen, der sich vervielfältigt und außer Kontrolle gerät, weil der junge Zauberlehrling nicht mit ihm umzugehen weiß, liegt nahe.
Wir leben in einer Welt, die stark von der Technik geprägt ist. Der Besen ist lange durch Saug- und Wischroboter ersetzt. Maschinen und künstliche Intelligenz übernehmen menschliche Arbeit, Metaversen entstehen neben dem realen Leben. Diese neue Welt schafft neue Möglichkeiten und kann das menschliche Leben verbessern. Aber sie schafft ebenso eine große Unsicherheit. Gerade vielen jungen Menschen scheint gegenwärtig eine Orientierung zu fehlen. Demokratische, humanitäre Werte werden kaum vermittelt oder von anderen Werten überdeckt.
Diese Orientierungslosigkeit war eine Grundmotivation, den Zauberlehrling in die Gegenwart zu transferieren, ihn zu aktualisieren, ihm Werte zu geben und das ihm innewohnende Narrativ leicht zu wandeln.
Was macht eine im Film übertrieben dargestellte harte, starre, kalte, von Maschinen geprägte Außenwelt mit der weichen, menschlichen Innenwelt, mit den individuellen Werten? Welche Auswirkungen hat es auf die Lebendigkeit, das Leben an sich, Kultur und Natur, wenn der Mensch sich mit immer mehr Maschinen, Konsumgütern und Betonbauten umgibt? Wenn er sich ausschließlich auf die Zahlen, die Gewinnmaximierung, die Ökonomie konzentriert? Wie kann er selbst auf diese Welt einwirken? Wie kann er sie verändern?
Diese Fragen stelle ich mir und diese Fragen stellt der Film. Er kann dazu anregen, das eigene Handeln, die eigenen Entscheidungen zu hinterfragen und er kann vielleicht bei dem ein oder anderen eine kleine Orientierung schaffen.
Tom Reimer